Am 14.Dezember versammelten sich die Berliner Arbeiter- und Soldatenräte und ernannten ihre Delegierten für den Reichsrätekongress, der ab dem 16.Dezember im Berliner Abgeordnetenhaus tagen sollte. Die Wahl fiel auf elf SPD- und sieben USPD-Abgeordnete.
Die "Generalversammlung der USPD von Groß-Berlin" sprach sich am folgenden Tag gegen die Einberufung einer Nationalversammlung aus, da diese ihrer Meinung nach nur die Gegenrevolution stärken würde. Man hatte ja schon bei der Einigung mit der SPD darauf bestanden, dass sie erst tagen solle, wenn die Revolution beendet sein würde und dass sie das nicht war, hatte man gerade an den Kämpfen in der letzten Woche gesehen. Zudem brachte die Revolution auch nicht die erhofften Folgen und so wollte man lieber in eine Trotzhaltung verfallen, als sich vor der SPD, von der man nur als "unabhängiges Anhängsel der Kommunisten"Zitat aus einem Flugblatt aus der Akte XII., IV., 12 des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz gesehen wurde, geschlagen zu geben.
Bei der ebenfalls am 15.Dezember stattfindenden Tagung zwischen Spartakusanhängern und den für den Rätekongress delegierten USPD-Mitgliedern im Spartakusbüro versuchten die Spartakisten noch einmal gezielt auf die politische Entwicklung in Deutschland Einfluss zu nehmen. Die Delegierten erhielten den Auftrag einen Antrag zu stellen, dass den Räten die oberste exekutive und legislative Gewalt zugesprochen werden sollte und anschließend zur Weltrevolution aufzurufen. Hier folgte man dem "Vorbild" der SPD: sie hatte die gleiche Beeinflussung in der Nacht vor der Wahl zur Räteversammlung im Zirkus Busch vorgenommen, worüber sich die Spartakisten stets empört hatten.
Um 10.00 Uhr traten am Montag, den 16.Dezember 1918 die 550 Teilnehmer des Reichsrätekongresses im Preußischen Abgeordnetenhaus am Leipziger Platz in Berlin zusammen. 490 der aus ganz Deutschland angereisten Personen waren stimmberechtigt, davon waren 300 SPD- und 100 USPD-Mitglieder (darunter 10 Spartakisten) sowie 25 bürgerliche Liberale und 10 linksradikale Matrosen. Ihrer beruflichen Tätigkeit nach konnte man sie in 27 Soldaten, 71 Intellektuelle, 197 Arbeiter und Angestellte, 13 Offiziere und 194 Redakteure, Abgeordnete oder Funktionäre einteileZahlen entnommen aus: Brunk, Willi; Dederke, Karlheinz; Neumann, Horst: "1918/19: Revolution in Deutschland?". Berlin 1976; Seite 43 .
Die Delegierten waren jeweils von den lokalen Räten ernannt worden, wobei auf 200.000 Einwohner ein Vertreter entfiel. Bei den Heeresverbänden wurden die Mandate pro 100.000 Soldaten vergeben.
Um 10.30 Uhr eröffnete Richard Müller die Sitzung. Ebert trat, wie am 10.November, als zweiter Redner auf und rief dazu auf in Deutschland "keine Klassenherrschaft" entstehen zu lassen. Anschließend wurden die Kongressvorsitzenden gewählt. Man entschied sich für Friedrich Seger (SPD), Robert Leinert (SPD) und den Gewerkschaftler Josef Gomolka.
Die Tagesordnung wurde umgestellt: die Wahl eines Vollzugsrates wurde auf Platz drei vorgezogen und der Punkt "Sozialisierung" gestrichen. Auch wurde der Antrag der Spartakisten Liebknecht und Luxemburg, die kein Mandat erhalten hatten, als Berater an der Sitzung teilnehmen zu lassen abgelehnt.
So blieben sie vor dem Gebäude und hielten dort Ansprachen an die 200.000 durch Spartakus mobilisierten Demonstranten. Die draußen Versammelten stellten sechs Forderungen an den Kongress auf, die später von Paul Wegner vorgetragen wurden.
Geyer, Heckert und Brass sprachen sich an diesem Tag für eine Entwaffnung der Konterrevolution aus und Ledebour gab in seiner Rede Ebert die Schuld an den Geschehnissen des 6.Dezember woraufhin Brass den Antrag einbrachte das gesamte Heer aufzulösen und die Offiziere zu entwaffnen.
Als am 17.Dezember der Kongress fortgesetzt wurde, drohte die SPD ihre Delegation zurückzuziehen, nachdem auch noch - nach den Arbeiterforderungen vom Vortag - eine Liste mit Forderungen Hamburger Soldaten durch Heinrich Dorrenbach verlesen worden war. Daraufhin wurde die Sitzung auf den 18.Dezember vertagt; bis dahin sollten sich die erhitzten Gemüter beruhigt haben.
Noch am gleichen Tag traf sich Ebert mit Carl Severing, dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion beim Kongress, um sich mit ihm über die Forderungen der Soldaten zu beraten. Ergebnis waren die "Acht Hamburger Punkte". Punkt 1 bis 7 stellten dabei entschärfte Formen der Soldatenforderungen nach einer Einschränkung der Befehlsgewalt der Offiziere und einer Abschaffung der Rangunterschiede in der Truppe dar. Punkt 8 legitimierte den Rat der Volksbeauftragten als Kontrollorgan, wurde am nächsten Tag jedoch wieder gestrichen. (Textmaterial)
Bei der Tagung am 18.Dezember wurden die Ergebnisse dieses Gesprächs als "Hamburger Sieben Punkte" vom Kongress angenommen. Jedoch erklärten Hindenburg und Groener den Beschluss gegenüber ihren Armeeführern für nichtig und drohten mit ihrem Rücktritt, falls die Regierung die Punkte umsetzen würde. Schließlich fand man am 20.Dezember eine gemeinsame Kompromissformel. (Textmaterial)
Der erste Tagesordnungspunkt der fortgeführten Sitzung am 18.Dezember, von der SPD aufgestellt, behandelte die "Übertragung der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt an den Rat der Volksbeauftragten", für die man sich positiv aussprach. Der darauf folgende Antrag von Ernst Däumig das "Rätesystem als Verfassungsgrundlage" anzuerkennen und die Entscheidung nicht einer Nationalversammlung zu überlassen wurde jedoch mit 344 zu 98 Stimmen abgelehnt. So hatte sich das "nüchtern, hausbackende, philiströs(e) Revolutionsparlament"Richard Däumig zitiert nach: Brunk, Willi; Dederke, Karlheinz; Neumann, Horst: "1918/19: Revolution in Deutschland?". Berlin 1976; Seite 45 selbst die Existenzgrundlage entzogen. (Textmaterial)
Anschließend erfolgte die Wahl von 27 SPD-Delegierten in den Vollzugsrat, dem ab jetzt alle Gesetzesentwürfe vor dem In-Kraft-Treten zur Beratung vorgelegt werden mussten.
Beim vierten Tagesordnungspunkt, der verschobenen Sozialisierungsfrage, entschied man sich in der Form eines Zugeständnisses an die USPD-Teilnehmer für eine "Sozialisierung der reifen Industrien", insbesondere des Bergbaus.
Zum Abschluss übertrug man die Entscheidung über eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Russland dem Rat der Volksbeauftragten.
Am nächsten Tag einigte man sich noch auf den Wahltermin für die Nationalversammlung. Mit 400 gegen 40 Stimmen wurde der 19.Januar 1919 angenommen. Mit einem "dreifachen Hoch auf die geeinte sozialistische Republik Deutschland"Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.): "Illustrierte Geschichte der Novemberrevolution in Deutschland". Berlin 1968; Seite 255 fand der Kongress schließlich am 21.Dezember sein Ende.
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