Nachdem es durch den Austritt der USPD aus dem Rat der Volksbeauftragten zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen ihr und der SPD gekommen war, sah die neue Regierung keinen Grund mehr, warum auch Emil Eichhorn weiter sein Amt als Berliner Polizeipräsident inne haben sollte. Seit dem Eingreifen seiner Sicherheitswehr bei den Weihnachtsunruhen war besonders Ebert ihm gegenüber feindlich gesinnt.
So erschien am 1.Januar 1919 im "Vorwärts" der propagandistische Satz: "Jeder Tag, an dem Eichhorn länger in seinem Amt bleibt, bedeutet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit."
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.): "Illustrierte Geschichte der Novemberrevolution in Deutschland". Berlin 1968; Seite 307

Dem folgte am 3.Januar ein Ultimatum sich bis zum Mittag des nächsten Tages zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern. Doch ohne die Antwort abzuwarten schickte der preußische Innenminister Paul Hirsch (SPD) am 4.Januar Emil Eichhorn ein Entlassungsschreiben, das zuvor schon den Zentralrat passiert hatte. Man hatte den SPD-Abgeordneten aus dem preußischen Innenministerium Eugen Ernst zu seinem Nachfolger erkoren. (Textmaterial)
Natürlich ließ sich die USPD dies nicht gefallen und veranstaltete am folgenden Tag eine Großdemonstration. Die Abschlusskundgebung fand in den Germaniafestsälen in der Chausseestraße statt, wo Eichhorn eine Rede hielt. Am Abend tagten dann die Führer der USPD gemeinsam mit den revolutionären Obleuten, Vertretern der Volksmarinedivision sowie Liebknecht und Pieck im Büro der USPD. Man befand den Zeitpunkt für günstig um endlich die Regierung Ebert zu stürzen und beschloss daher, bereits am nächsten Tag, mit den Aktionen zu beginnen. Unter dem Vorsitz von Liebknecht, Ledebour und Paul Scholze, einem Mitglied der revolutionären Obleute, wurde ein 53 Mann starker Revolutionsausschuss gebildet, der im Marstall tagen sollte.

Wie geplant fand am darauf folgenden Tag ein Generalstreik statt und der Großdemonstration in Berlin schlossen sich eine halbe Millionen Menschen an. Aus den staatlichen Depots in Spandau und Wittenau hatte man Waffen nach Berlin bringen lassen, die nun an 3000 Mann vom Polizeipräsidium und vom Marstall aus verteilt wurden.
Die Verlage Büxenstein, Mosse (Berliner Tageblatt) in der Jerusalemer Straße, Scherl (Berliner Lokal Anzeiger) in der Zimmerstraße, Ullstein (Morgenpost, B.Z. am Mittag) in der Koch- / Ecke Markgrafenstraße und der "Vorwärts" sowie das Wolff'sche Telegrafenbüro wurden daraufhin in der Nacht vom 5. zum 6.Januar besetzt (Flugblatt). Man bildete im Zeitungsviertel an der Kochstraße einen "Schützengraben, der bis zum Patentamt reichte. Waffenappelle wurden angesetzt und Unterricht am Maschinengewehr erteilt. (Hierbei war die) Kampfleitung im Vorwärts vorbildlich."
Fritz Zikelsky zitiert nach: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.): "Illustrierte Geschichte der Novemberrevolution in Deutschland". Berlin 1968; Seite 312
Dort erschien nun der "Revolutionäre Vorwärts" (Flugblatt) unter der Redaktion von Eugen Leviné, Wolfgang Fernbach und Werner Möller.

Um die Regierungstruppen auf ihre Seite zu bekommen erklärte der Revolutionsausschuss auf seiner Tagung am 6.Januar im Reichstag die Regierung für abgesetzt, was durch ein Flugblatt, für das Pieck wie üblich verantwortlich war, der Bevölkerung mitgeteilt wurde. Die KPD-Anhänger verteilten es auf ihren Propagandazügen durch die Berliner Kasernen, die bis zum Nachmittag andauerten und wenig Erfolg hatten. Keine der Truppen war übergelaufen, hatte höchstens wie das 15. Depot, die ehemalige Volksmarinedivision, seine Neutralität erklärt.
Die Soldaten waren froh über ihre Arbeit und ihre Verpflegung und wollten sich nicht gegen die Regierung stellen, der sie dies zu Verdanken hatten. Daher fand man nur bei den entlassenen Soldaten Unterstützung, die die Regierung ebenfalls für ihre Lage verantwortlich machten.
Schon am Vormittag war auch der Versuch die Stadtkommandantur zu besetzen gescheitert.

Doch auch die SPD hatte nicht geschlafen und stattdessen eine Großdemonstration in der Wilhelmstraße organisiert, wo alle fünf Mitglieder des Rates der Volksbeauftragten als Redner auftraten.
Auch hatte man in der Reichskanzlei gemeinsam mit dem neuen Kriegsminister Reinhard über ein militärisches Vorgehen beraten, nachdem Noskes "Meinung, dass nun versucht werden müsse, mit Waffengewalt Ordnung zu schaffen, nicht widersprochen (worden war)"
Gustav Noske zitiert nach: Fischer, Ulrich: "Hundert Jahre revolutionäres Berlin". Berlin 1978; Seite 26
. Man war überein gekommen, den Oberbefehl über die Berliner Truppen an ihn und nicht an Generalleutnant Hofmann zu übergeben, da man hoffte, eher das Vertrauen der Arbeiter zu gewinnen, wenn kein General sondern ein SPDler an der Spitze der Truppen stand. So würde man den Eindruck vermitteln, dass ein Einsatz schon seine Richtigkeit habe. Noske wurde mit "außerordentlichen Vollmachten" ausgestattet und erklärte sich bereit "der Bluthund (zu) sein"
Gustav Noske zitiert nach: Fischer, Ulrich: "Hundert Jahre revolutionäres Berlin". Berlin 1978; Seite 27
. (Flugblatt)

Die SPD konnte zudem auf das durch den Industriellen Heinrich Sklarz finanzierte "Regiment Reichstag" vertrauen, das ursprünglich von Albert Baumeister, dem Herausgeber der "Sozialdemokratische(n) Korrespondenz" und Erich Kuttner, dem Redakteur des Vorwärts, als "freiwilliger Helferdienst der SPD" (Flugblatt) gegründet worden war.

Im Laufe des 6.Januar war es den Revolutionären gelungen das Brandenburger Tor, die Pionierkaserne in der Köpenicker Straße / Ecke Eisenbahnstraße, das Proviantamt und das Haupttelegrafenamt zu besetzen. Am nächsten Tag sollten sie zudem den Anhalter-, Potsdamer- und Schlesischen Bahnhof - heutigen Ostbahnhof - einnehmen.
Auch die Besetzer des Vorwärts hatten weitere Unterstützung durch Arbeiter der Schwarzkopff-, AEG- und Knorr-Bremse-Werke erhalten.
Jedoch war es auch zu Feuergefechten mit Regierungstruppen in der Leipziger Straße, Unter den Linden, am Potsdamer Platz, an der Reichskanzlei und in Moabit gekommen.

In der folgenden Nacht begannen die Verhandlungen des Revolutionsausschusses mit der Regierung, wobei sich die USPD als Vermittler gab. Sie wurden jedoch am 8.Januar ohne Ergebnis abgebrochen, wodurch auch der in der Zwischenzeit geltende Waffenstillstand außer Kraft trat.
Für die SPD war es in erster Linie darum gegangen Zeit zu gewinnen, denn Noske war inzwischen gemeinsam mit der OHL im neuen Generalstabsbüro im Dahlemer Luisenstift - Podbielskiallee / Ecke Königin-Luise-Platz - damit beschäftigt den Gegenangriff strategisch zu planen und man wollte sicher gehen, dass man den Kampf auch gewinnen würde.
Überall warben öffentliche Anschläge und Aufrufe in den Zeitungen für den Beitritt in die Freikorps. Eines der größten Werbebüros war das "Café Vaterland" am Potsdamer Platz.
Zudem fanden am 9.Januar Verhandlungen mit dem Leiter der "Antibolschewistischen Liga", Eduard Stadtler, statt. Dieser stand in enger Verbindung zu Großindustriellen wie Borsig, Stinnes und Siemens und unterstützte mit Geldern Freikorps sowie Spitzel und Parteien.
Die SPD kündigte ihre geplanten Aktionen am 8.Januar mit dem Flugblatt "Die Stunde der Abrechnung naht"
Fischer, Ulrich: "Hundert Jahre revolutionäres Berlin". Berlin 1978; Seite 27
an.
Am selben Tag beschloss die KPD-Zentrale bei einer Sitzung ihre Mitglieder aus dem Revolutionsausschuss zurückzuziehen, da man dessen Verhandlungsbereitschaft mit der SPD verurteilte.

Sofort nach dem Abbruch der Verhandlungen begann die SPD mit ihrer Gegenoffensive. Die Freikorps und Regierungstruppen unter der Leitung Noskes stürmten den Anhalter Bahnhof, das Brandenburger Tor, die Eisenbahndirektion und die Reichsdruckerei, jedoch scheiterten die Versuche die Verlage Mosse und Scherl einzunehmen, da die Besatzer Verstärkung aus dem "Vorwärts" erhielten. Daraufhin wurde auch der "Vorwärts" durch das 560 Mann zählende "Regiment Potsdam" unter dem Befehl von Major von Stephani angegriffen.

Am 9.Januar proklamierte der Rote Soldatenbund in einem Flugblatt es sei die "heilige Pflicht und Schuld sich der Revolution zur Verfügung zu stellen"
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.): "Illustrierte Geschichte der Novemberrevolution in Deutschland". Berlin 1968; Seite 318
und der Revolutionsausschuss verkündete: "Es muß gekämpft werden bis auf's Letzte! Gebraucht die Waffen gegen eure Todfeinde!"
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.): "Illustrierte Geschichte der Novemberrevolution in Deutschland". Berlin 1968; Seite 318
Auch Rosa Luxemburg hatte schon am 7.November in der "Roten Fahne" zu "mutig(em), konsequent(en), entschlossen(en) und rasch(em) Handeln" aufgerufen. Man müsse "die Gegenrevolution entwaffnen, die Massen bewaffnen, alle Machtpositionen besetzen. Die Revolution verpflichtet!"
Rosa Luxemburg zitiert nach: Fischer, Ulrich: "Hundert Jahre revolutionäres Berlin". Berlin 1978; Seite 27
.
Man brauchte Verstärkung, das stand fest. Doch die Revolutionäre versäumten es die 40.000 im Humboldthain versammelten Arbeiter von AEG und Schwarzkopff sowie die am Belle-Alliance-Platz versammelten Menschen, die diesen Aufforderungen am 9.November gefolgt waren, in ihre Aktionen mit einzubinden. So nahm die revolutionäre Stimmung dieser Leute schnell ab und an ihre Stelle trat die Forderung nach einer Beendigung der Kämpfe. Wiederum ertönte die Parole "Schießt nicht auf eure Brüder!", doch diesmal war sie an beide Seiten gerichtet. Man setzte sogar eine Kommission ein, die für eine Verständigung zwischen SPD, USPD und KPD sorgen sollte.
Die USPD folgte diesem Ruf und nahm noch am selben Tag unter der Leitung Ledebours die Verhandlungen mit der Regierung wieder auf. Doch die SPD war zu diesen nicht mehr bereit (Flugblatt). Stattdessen ließ sie in der Nacht vom 10. auf den 11.Januar Ledebour und Meyer verhaften und sie in der Stadtkommandantur festsetzen.
Die Kämpfe zwischen den Parteien hatten sich inzwischen auf ganz Deutschland ausgeweitet.

Am 10.Januar gelang Noskes Truppen die Erstürmung des Spandauer Rathauses. 63 Menschen wurden festgenommen, viele von ihnen noch an Ort und Stelle erschossen.
Gegen Mittag wurden die Maßnahmen für einen erneuten Angriff auf den "Vorwärts" getroffen. Die benachbarten Gebäude wurden besetzt und auf den Dächern und in den umliegenden Straßen Maschinengewehre und Artillerie installiert.
Der 11.Januar brachte weitere Erfolge für die Noske-Truppen mit sich. Bereits um 7.30 Uhr hatte der Angriff auf den "Vorwärts" vom Belle-Alliance-Platz - Abdankungsurkunde dem heutigen Mehringplatz - aus begonnen. Das Gebäude wurde immer noch von 500 bis 600 Menschen verteidigt. Nach drei Stunden waren sie bereit sich zu ergeben und schickten fünf Vertreter mit weißen Fahnen nach draußen zu den Truppen. Doch diese wurden zusammengeschlagen, in die nahegelegene Dragonerkaserne gebracht und anschließend erschossen.
Als im Papierlager ein Feuer ausbrach gelang es den Truppen am Abend in das Haus einzudringen. 300 Menschen wurden verhaftet; es spielten sich die gleichen Szenen wie in Spandau ab.
Nach der Einnahme des "Vorwärts" mussten sich auch die Besatzer der anderen Verlage geschlagen geben. Um den "Büxenstein" in der Beuthstraße 6-8 hatten ebenfalls blutige Kämpfe stattgefunden - "Mosse" wurde auf Grund der Geschehnisse freiwillig geräumt.
Auch die KPD-Zentrale in der Friedrichstraße wurde von den Truppen in Beschlag genommen.

Noske hatte gesiegt. Mittags marschierte er ab der Stadtmitte an der Spitze der 300 Mann starken Garde-Kavellerie-Schützen-Division, die bereits halb Berlin auf ihrem Zug von der späteren "Roosvelt-Kaserne" des amerikanischen "Guard-Bataillons" in Lichterfelde aus über Steglitz, Schöneberg und den Potsdamer Platz zum Dönhoffplatz durchquert hatte, zum Reichstag und hielt anschließend eine Rede vom Reichstagsbalkon aus. Die konservative Zeitung "Post" schrieb am nächsten Tag begeistert über diese Truppenparade; so etwas hatte man seit der Abdankung des Kaisers vermisst.

Doch noch waren die Kämpfe nicht beendet. In der folgenden Nacht begann der Sturm auf das Polizeipräsidium und seine 300 Besatzer, die sich am Morgen des 12.Januar ergeben mussten. Inzwischen war ganz Berlin von Noskes Truppen, deren Mitglieder als Erkennungszeichen eine weiße Armbinde trugen, okkupiert worden. So stand der ausgerufene Belagerungszustand unter der Herrschaft der "weißen Garde".

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