Als am 4.August 1914 die Frage nach der Bewilligung der Kriegskredite zum ersten Mal im Reichstag zur Abstimmung stand, beugten sich die Abgeordneten der Fraktionsdisziplin oder folgten mit Begeisterung dem Ausruf des Kaisers "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!"
Kaiser Wilhelm II. zitiert nach: Golecki, Anton; Hirschfelder, Heinrich; Maier, Lorenz u.a.: "Deutsche Geschichte zwischen 1800 und 1933". Bamberg 1998; Seite 363
. Jetzt durfte man sich endlich "ganz der Stimmung hingeben, die rings um einen herum brauste und brannte" und "aus vollem Herzen (...) in den brausenden Sturmgesang: Deutschland, Deutschland über Alles"
Konrad Haenisch (SPD) 1914; zitiert nach: Grebing, Helga: "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung". 7.Auflage, München 1976; Seite 140
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Doch schon bald wurde das Bild des ruhmreichen Verteidigungskrieges durch die grausame Realität getrübt und so lehnte es als erster Karl Liebknecht seit Dezember 1914 ab die Gelder für eine Fortsetzung des Massensterbens bereitzustellen.
Er gründete Anfang 1916 zusammen mit Rosa Luxemburg, Franz Mehring und Clara Zetkin die "Gruppe Internationale" und bekundete in ihrem Mitteilungsblatt "Spartakus" - nach dem bald die ganze Gruppe benannt wurde - öffentlich seine Ablehnung gegen den "imperialistischen Krieg". Das führte Ende Januar 1916 dazu, dass er zum Austritt aus der Reichstagsfraktion der SPD gezwungen wurde.
Auch hatte sich seit 1915 um die SPD-Abgeordneten Karl Kautsky, Hugo Haase, Kurt Eisner und Eduard Bernstein eine Splitterfraktion gebildet, die für einen Verständigungsfrieden und nicht wie die Mehrheit der SPD für einen Siegfrieden eintrat und sich gegen den "Burgfrieden" stellte. Der "Burgfrieden" war 1914 auf Drängen Wilhelms II. geschlossen worden. Sein Ziel war es, eine innenpolitische Schwächung durch Kämpfe der Reichstagsparteien während des Krieges zu vermeiden Durch diesen hatten sich die Reichstagsfraktionen also zur Zusammenarbeit verpflichteten und so die SPD aus ihrer "sozialistischen Oppositionsrolle" im Reich herausgehoben; man etablierte sich recht schnell im konservativen Milieu und war über den Verlust der "Außenseiterrolle", die seit Bismarcks Sozialistengesetzen an der Partei haftete, nicht gerade betrübt.
Auch diese 18 Abgeordneten wurden im März 1916 aus der Fraktion ausgeschlossen und bildeten seit dem als SPD-Mitglieder eine eigene Fraktionsgemeinschaft. Im April 1917 lösten sie sich dann endgültig von ihrer Partei und gründeten die "Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland" (USPD). Die Gruppe Internationale, inzwischen allgemein als "Spartakus" bekannt, schloss sich dieser neuen Partei an. Die Stammpartei wurde fortan, zur besseren Unterscheidung, meist als Mehrheits-SPD (MSPD) bezeichnet. Sie stand nun unter dem alleinigen Vorsitz Friedrich Eberts, der dieses Amt am 20.September 1913 nach dem Tod August Bebels gemeinsam mit Hugo Haase übernommen hatte und, seit 1912 Mitglied des Reichstages, von 1916 an zudem zusammen mit Philipp Scheidemann die Fraktion leitete.

Doch auch innerhalb der USPD gab es noch starke Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedern. Die Spanne der Gesinnungen reichte von linksrevolutionär über sozialdemokratisch-pazifistisch bis zu konservativ-nationalistisch. Einig war man sich nur in dem Punkt, dass man die imperialistische Politik der Regierung und der OHL nicht guthieß, was aber noch lange nicht bedeutete, dass man die gleichen Vorstellungen von einem Verständigungsfrieden hatte.

Die Führer der Gewerkschaften stimmten in ihren politischen Forderungen mit denen der MSPD überein. Auch sie waren für einen Siegfrieden, da sie einen Zusammenbruch der Wirtschaft im Falle einer militärischen Niederlage befürchteten, und dieser auch gleichzeitig ihr Ende sein würde.
Anders sah es aber bei den Gewerkschaftsmitgliedern aus: die Betriebsfunktionäre sympathisierten in den Großstädten zumeist mit der USPD und traten dieser nach und nach bei. Sie wollten, wie die Arbeiter, die sie vertraten, ein schnelles Ende des Krieges. In Berlin schlossen sich diese "oppositionellen Vertrauensleute" der Großbetriebsproletarier unter der Führung von Richard Müller als "revolutionäre Obleute" zusammen. Georg Ledebour war ebenfalls ein wichtiger Aktivist dieser Gruppe.

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