Doch Friedrich Ebert ging nicht so weit sich offiziell als höchster Mann in Deutschland, also als Reichskanzler, zu titulieren. Er wollte dieses Amt ausschließlich durch die Entscheidung einer verfassunggebenden Nationalversammlung verliehen bekommen, das zeigte sich deutlich am 6.Dezember 1918.
Am Nachmittag dieses Tages fand in Berlin eine Demonstration des Roten Soldatenbundes statt, bei der die Teilnehmer eine Anerkennung ihrer gewählten Vertreter in den nationalen Soldatenräten forderten. Am Stettiner Bahnhof - dem heutigen Nordbahnhof - an der Ecke Chaussee- und Invalidenstraße eröffneten vom Stadtkommandanten Wels dorthin entsandte Gardefüsiliere plötzlich das Feuer auf den Zug. 16 Menschen , darunter auch Budich, der Leiter des Roten Soldatenbundes, wurden getötet und 30 weitere verletzt.

Anschließend starteten diese Militärs einen Putschversuch. Das Garderegiment "Kaiser Franz" und Mitglieder der "Studentenwehr" unter Führung von Wels Stellvertreter Feldwebel Anton Fischer, umstellten um 16.00 Uhr das preußische Abgeordnetenhaus und verhafteten die USPD-Mitglieder des dort tagenden Vollzugsrates. Jedoch wurden diese kurz darauf von der einschreitenden Volksmarinedivision wieder befreit.
Daraufhin begab sich ein Teil des Garderegiments zur Reichskanzlei, wo Marinefeldwebel Spiro Friedrich Ebert dazu aufforderte das Amt des Reichspräsidenten zu übernehmen.
Man stelle sich das einmal vor: ein konservativ-monarchistischer Militärputsch, der als Ziel hat den Führer der Sozialdemokraten zum obersten Mann im Land zu machen! Ebert hatte sich wirklich einen erstaunlichen Ruf erarbeitet.

Doch er lehnte dieses Amt ab und erwiderte, man müsse noch "Geduld bis zum Reichsrätekongress" haben, aber er würde sich auf jeden Fall um einen frühest möglichen Termin für die Einberufung der Nationalversammlung bemühen. Immerhin verhielt er sich diplomatischer als Wilhelm IV., aber letztendlich lehnte auch er diesen Antrag ab, weil an ihm "der Ludergeruch der Revolution hafte". Durch eine derart offene Zugehörigkeitserklärung zur Konterrevolution durch Ebert hätte zudem die SPD einen Großteil ihres Einflusses auf die revolutionären Arbeiter und Soldaten in Deutschland verloren.

Schließlich besetzte das Regiment nach all den Misserfolgen noch über Nacht die Redaktion der "Roten Fahne".
Am nächsten Tag veranstaltete der Spartakusbund eine große Protestdemonstration in der Siegesallee. Der Zug führte zur ehemaligen russischen Botschaft, wo man die Wiederaufnahme von politischen Beziehungen forderte und schließlich riefen Liebknecht und Pieck bei der Abschlusskundgebung zum Sturz der Regierung auf.
Dem erneuten Demonstrationsaufruf der Spartakisten am 8.Dezember folgten Gegenveranstaltungen der Regierung. Nach der Besetzung der Stadtkommandantur zog die andere Seite mit einer erneuten Besetzung der "Roten Fahne" nach.

Die Toten des 6.Dezember wurden am 21.Dezember auf Staatskosten auf dem "Revolutionsfriedhof" im Friedrichshain neben den Märzgefallenen von 1848 und den drei am 9.November getöteten Arbeitern beigesetzt.

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