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Befehl des Generalfeldmarschalls von Hindenburg an das deutsche Feldheer vom 10.11.1918

An alle Heeresgruppen und Armeeoberkommandos und selbständigen Stellen des Großen Hauptquartiers.
1. Damit angesichts der dem Vaterlande durch den Bolschewismus drohenden Gefahr des Bürgerkrieges das Heer in Festigkeit und Ordnung in die Heimat zurückgeführt werden kann, sind alle Offiziere und Mannschaften moralisch verpflichtet, alle mit Recht bestehenden Gewissensbedenken bezüglich des Seiner Majestät dem Kaiser und König geleisteten Fahneneides zurückzustellen und unvermindert ihre Pflicht zu tun zur Rettung der deutschen Lande aus größter Gefahr. Aus demselben Grunde habe ich mich entschlossen, auf meinem Posten zu verharren und gemäß der mir mündlich gewordenen Weisung Seiner Majestät des Kaisers und Königs den Oberbefehl über das deutsche Feldheer übernommen.
2. Nachdem die Bewegung zur Bildung von Soldatenräten in das Feldheer bereits eingedrungen ist und meines Erachtens durch Widerstand nicht mehr aufgehalten werden kann, ist es notwendig, diese Bewegung in die Hand der Offiziere zu bekommen. Zu diesem Zweck sind bei allen Kompanien, Batterien, Eskadrons pp. Vertrauensräte zu bilden. Unter Aufhebung der hierüber ergangenen Verfügung der OHL, vom 10.November 1918 I/S Nr.1 führe ich hierzu aus:
Es wird sich empfehlen, die Vertrauensräte aus der freien Wahl von Offizieren und Mannschaften hervorgehen zu lassen und die Anzahl ihrer Mitglieder je nach den Verhältnissen in dem betreffenden Truppenteil zu bestimmen. Die Vertrauensräte sind zweckmäßig in allen wirtschaftlichen und sozialen Fragen zur engsten Mitarbeit von den Truppenbefehlshabern heranzuziehen, damit die Ordnung im Heer aufrechterhalten wird. Die Führung der Truppen muß dabei jedoch fest in der Hand der Kommandobehörde bleiben. In diesem Sinne ist auf die Mannschaften einzuwirken und ist ihnen klarzumachen, daß im gegenwärtigen Augenblick, wo die allerschwierigsten Bewegungen des Heeres zum Schluß des Krieges noch gefordert werden, die Rückführung der Armee nur gewährleistet ist, wenn diese Bewegungen in strengster Ordnung und Manneszucht zur Ausführung gelangen.
3. Es kann bekanntgegeben werden, daß die OHL mit dem Reichskanzler Ebert, dem bisherigen Führer der gemäßigten sozialdemokratischen Partei, zusammengehen will, um die Ausbreitung des terroristischen Bolschewismus in Deutschland zu verhindern.
4. Die OHL hat den Reichskanzler gebeten, daß seitens der Regierung für das Feldheer die Beibehaltung der Rangabzeichen verfügt wird. Inzwischen muß es im Einzelfall dem Taktgefühl des Offiziers überlassen bleiben, derart zu handeln, daß Ausschreitungen der Mannschaften vermieden werden.
gez. Hindenburg

Ritter, Gerhard A. und Miller, Susanne (Hrsg.):"Die deutsche Revolution 1918-1919. Dokumente". 2.Auflage, Frankfurt 1968
Erläuterung:
Mit seinem Befehl an die Offiziere des Feldheeres vom 10.November 1918 wollte Hindenburg den Zerfall der Armee bei der Rückführung in das revolutionäre Deutschland verhindern. Entgegen der Verfügung der OHL sollte man die Bildung von Soldatenräten zur Beruhigung der Truppe zulassen, diese jedoch so stark wie möglich beeinflussen und kontrollieren. In seinem 3.Punkt kündigt Hindenburg den Offizieren bereits das Ebert-Groener-Abkommen an, das am Abend des 10.November telefonisch mit dem Vorsitzenden des Rates der Volksbeauftragten geschlossen wurde.