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Wilhlem Groener in seiner Autobiographie zum Ebert-Groener-Abkommen vom 10.11.1918

Die Aufgabe der Heeresleitung mußte es jetzt sein, den Rest des Heeres rechtzeitig und in Ordnung, aber vor allem innerlich gesund in die Heimat zu bringen und dem Offizierskorps als dem Träger des Wehrgedankens einen Weg in die neuen Verhältnisse zu ermöglichen. Die seit Jahrhunderten im preußisch-deutschen Offizierskorps angesammelte moralisch-geistige Kraft mußte in ihrem Kern für die Wehrmacht der Zukunft erhalten werden. Der Sturz des Kaisertums entzog den Offizieren den Boden ihres Daseins, ihren Sammel- und Ausrichtepunkt. Es mußte ihm ein Ziel gewiesen werden, das des Einsatzes wert war und ihm die innere Sicherheit wiedergab. Es mußte das Gefühl wachgerufen werden der Verpflichtung nicht nur gegenüber einer bestimmten Staatsform, sondern für Deutschland schlechthin. Daß Hindenburg auf seinem Posten blieb und den Oberbefehl über das gesamte Heer übernahm, ja daß dieser ihm vom Kaiser übertragen worden war, machte den Übergang möglich und erleichterte ihn.
Das Offizierskorps konnte aber nur mit einer Regierung zusammengehen, die den Kampf gegen den Radikalismus und Bolschewismus aufnahm. Dazu war Ebert bereit, aber er hielt sich nur mühsam am Steuer und war nahe daran, von den Unabhängigen und der Liebknechtgruppe über den Haufen gerannt zu werden. Was war demnach näherliegend, als Ebert, den ich als anständigen, zuverlässigen Charakter und unter der Schar seiner Parteigenossen als den staatspolitisch weitsichtigsten Kopf kennengelernt hatte, die Unterstützung des Heeres und des Offizierskorps anzubieten?
[ ... ] Am Abend [des 10. November] rief ich die Reichskanzlei an und teilte Ebert mit, daß das Heer sich seiner Regierung zur Verfügung stelle, daß dafür der Feldmarschall und das Offizierskorps von der Regierung Unterstützung erwarteten bei der Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin im Heer. Das Offizierskorps verlange von der Regierung die Bekämpfung des Bolschewismus und sei dafür zum Einsatz bereit. Ebert ging auf meinen Bündnisvorschlag ein. Von da ab besprachen wir uns täglich abends auf einer geheimen Leitung zwischen der Reichskanzlei und der Heeresleitung über die notwendigen Maßnahmen. Das Bündnis hat sich bewährt.
Für den Schritt des 10. November habe ich allein die Verantwortung zu übernehmen, Hindenburg wußte nichts von ihm, billigte ihn aber, nachdem ich die innerpolitische Lage in der Heimat eingehend mit ihm besprochen hatte. [ . . . ]
Wir [die Offiziere der 0.H.L.] hofften, durch unsere Tätigkeit einen Teil der Macht im neuen Staat an Heer und Offizierskorps zu bringen, gelang das, so war der Revolution zum Trotz das beste und stärkste Element des alten Preußentums in das neue Deutschland hinübergerettet.
Zunächst galt es freilich Zugeständnisse zu machen, denn die Entwicklung im Heer und in der Heimat war solche Wege gegangen, daß es sich vorerst nicht um rücksichtsloses Befehlen von seiten der 0.H.L. handeln konnte, sondern um Auffangen und Unschädlichmachen der revolutionären Strömungen.

Ritter, Gerhard A. und Miller, Susanne (Hrsg.):"Die deutsche Revolution 1918-1919. Dokumente". 2.Auflage, Frankfurt 1968
Erläuterung:
In einem Telefonat, das der Generalquartiermeister Groener am Abend des 10.November 1918 mit dem soeben zum Vorsitzenden des Rates der Volksbeauftragten ernannten Ebert führte, vereinbarten die beiden eine Zusammenarbeit zwischen Militär und Regierung. Ebert sollte für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Truppe sorgen und Groener würde ihm dafür beim Kampf gegen die sozialistischen Revolutionäre unterstützen. In seinen Memoiren gibt Groener seine Beweggründe für dieses Bündnis wieder.