Die Aufgabe der Heeresleitung mußte es jetzt sein, den Rest des
Heeres rechtzeitig und in Ordnung, aber vor allem innerlich gesund in die
Heimat zu bringen und dem Offizierskorps als dem Träger des Wehrgedankens
einen Weg in die neuen Verhältnisse zu ermöglichen. Die seit
Jahrhunderten im preußisch-deutschen Offizierskorps angesammelte
moralisch-geistige Kraft mußte in ihrem Kern für die Wehrmacht der
Zukunft erhalten werden. Der Sturz des Kaisertums entzog den Offizieren den
Boden ihres Daseins, ihren Sammel- und Ausrichtepunkt. Es mußte ihm ein
Ziel gewiesen werden, das des Einsatzes wert war und ihm die innere Sicherheit
wiedergab. Es mußte das Gefühl wachgerufen werden der Verpflichtung
nicht nur gegenüber einer bestimmten Staatsform, sondern für
Deutschland schlechthin. Daß Hindenburg auf seinem Posten blieb und den
Oberbefehl über das gesamte Heer übernahm, ja daß dieser ihm
vom Kaiser übertragen worden war, machte den Übergang möglich
und erleichterte ihn. |
Das Offizierskorps konnte aber nur mit einer Regierung zusammengehen, die
den Kampf gegen den Radikalismus und Bolschewismus aufnahm. Dazu war Ebert
bereit, aber er hielt sich nur mühsam am Steuer und war nahe daran, von
den Unabhängigen und der Liebknechtgruppe über den Haufen gerannt zu
werden. Was war demnach näherliegend, als Ebert, den ich als
anständigen, zuverlässigen Charakter und unter der Schar seiner
Parteigenossen als den staatspolitisch weitsichtigsten Kopf kennengelernt
hatte, die Unterstützung des Heeres und des Offizierskorps
anzubieten? |
[ ... ] Am Abend [des 10. November] rief ich die Reichskanzlei an und
teilte Ebert mit, daß das Heer sich seiner Regierung zur Verfügung
stelle, daß dafür der Feldmarschall und das Offizierskorps von der
Regierung Unterstützung erwarteten bei der Aufrechterhaltung der Ordnung
und Disziplin im Heer. Das Offizierskorps verlange von der Regierung die
Bekämpfung des Bolschewismus und sei dafür zum Einsatz bereit. Ebert
ging auf meinen Bündnisvorschlag ein. Von da ab besprachen wir uns
täglich abends auf einer geheimen Leitung zwischen der Reichskanzlei und
der Heeresleitung über die notwendigen Maßnahmen. Das Bündnis
hat sich bewährt. |
Für den Schritt des 10. November habe ich allein die Verantwortung zu
übernehmen, Hindenburg wußte nichts von ihm, billigte ihn aber,
nachdem ich die innerpolitische Lage in der Heimat eingehend mit ihm besprochen
hatte. [ . . . ] |
Wir [die Offiziere der 0.H.L.] hofften, durch unsere Tätigkeit einen
Teil der Macht im neuen Staat an Heer und Offizierskorps zu bringen, gelang
das, so war der Revolution zum Trotz das beste und stärkste Element des
alten Preußentums in das neue Deutschland hinübergerettet. |
Zunächst galt es freilich Zugeständnisse zu machen, denn die
Entwicklung im Heer und in der Heimat war solche Wege gegangen, daß es
sich vorerst nicht um rücksichtsloses Befehlen von seiten der 0.H.L.
handeln konnte, sondern um Auffangen und Unschädlichmachen der
revolutionären Strömungen. |
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